Plötzlich auf Pflege angewiesen: So sehr Sie selbst oder Ihr Angehöriger im vertrauten Umfeld bleiben möchten - manchmal zeigt sich, dass eine Wohnung den veränderten Bedürfnissen auch durch Umbaumaßnahmen nicht gerecht werden kann. Oder dass die Situation im Pflegeheim unzumutbar ist. Also umziehen? Die Pflegekasse bezuschusst wohnumfeldverbessernde Maßnahmen - auch ein Umzug kann dazugehören.
Umzug: Maßnahme zur Verbesserung des Wohnumfelds
Pflegekassen bezuschussen die Verbesserung des Wohnumfelds mit bis zu 4000 Euro pro Person und Maßnahme (§ 40 Abs. 4 Satz 4 SGB XI). Das Ziel: Eine selbstständige Lebensführung erhalten oder neu herstellen. Auch die Herstellung neuen Wohnraums, also ein Umzug, kann dazu sinnvoll sein - sofern die Maßnahme erforderlich und auf die individuellen Anforderungen des Pflegebedürftigen ausgerichtet ist. Ein erheblicher Unterstützungsbedarf ist dazu nicht zwingend. Seit 1.1.2017 (Pflegestärkungsgesetz) kommen auch Menschen in Pflegegrad 1 in den Genuss dieser Förderung. In Betracht kommt der Zuschuss, wo die Maßnahme, also der Umzug
- häusliche Pflege erst ermöglicht
- diese erheblich erleichtert
- eine Überforderung der Leistungskraft von Pflegebedürftigem oder Pflegepersonen verhindert
- die möglichst selbstständige Lebensführung des Pflegebedürftigen wieder herstellt, also die Abhängigkeit von
personeller Hilfe reduziert
Wohnumfeldverbesserung: Alle Einzelschritte zählen!
Dabei regelt Punkt 4 des Gemeinsamen Rundschreibens "zu den leistungsrechtlichen Vorschriften zum Gesetz zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit" (Pflege-Versicherungsgesetz, PflegeVG): Alle zum Zeitpunkt der Zuschussgewährung erforderlichen Maßnahmen zur Wohnumfeldverbesserung sind als Verbesserungsmaßnahme zu werten. Auch Wohnumfeldverbesserungen in Einzelschritten sind Maßnahmen im Sinne von § 40 Abs. 4 SGB XI. Dabei ist unbedeutend, ob eine notwendige Einzelmaßnahme
- die Verbesserung der Situation im selben Pflegebereich oder in verschiedenen Pflegebereichen zum Ziel hat
- die häusliche Pflege ermöglichen bzw. erleichtern o d e r die Selbstständigkeit wiederherstellen soll
- innerhalb oder außerhalb von Wohnung bzw. Haus stattfindet
- in dem selben Raum oder verschiedenen Räumen durchgeführt wird
Umzug: Wann er erforderlich sein kann
Tatsächliche Kosten pro Maßnahme werden maximal mit 4.000 Euro (bzw. 16.000 Euro pro Maßnahme, wenn mehrere anspruchsberechtigte Pflegebedürftige, die gemeinsam wohnen, betroffen sind,) übernommen. Entstehen im Anschluss an eine wohnumfeldverbessernde Maßnahme Reparatur- oder Wartungskosten, ist eine erneute Bezuschussung nach § 40 Abs. 4 SGB XI jedoch ausgeschlossen. Aber weitere Mittel werden frei, wenn sich die Pflegesituation ändert, was eine neue Maßnahme (erneut bis zu 4.000 Euro) erforderlich macht. Auch ein erneuter Umzug fällt darunter, sofern dieser den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung trägt. Beispielsweise, wenn Sie oder Ihr pflegebedürftiger Angehöriger aus der Obergeschosswohnung ins Erdgeschoss ziehen müssen, etwa weil kein Lift existiert. Oder Sie plötzlich auf den Rollstuhl angewiesen sind, aber Einbau von Rampen, Verbreitern von Türen und Badumbau in der derzeitigen Wohnung nicht möglich sind. Und lässt sich das notwendige Pflegebett bzw. Krankenbett angesichts beengter Verhältnisse nicht aufstellen, kann auch dies einen Grund sein, umzuziehen. Dagegen entschied das Bundessozialgericht (17.07.2008, Az. B 3 P 12/07 R) gegen barrierefreien Gartenzugang bzw. ein Recht auf einen Garten, da dieser bei Erwachsenen kein elementares Bedürfnis befriedige (anders bei pflegebedürftigen Kindern und Jugendlichen).
Maßnahmen-Katalog der Krankenkassen - nicht rechtsverbindlich
Punkt 8 zu § 40 Abs. 4 SGB XI weist im Gemeinsamen Rundschreiben zu den leistungsrechtlichen Vorschriften einen Krankenkassen-Katalog ausgeschlossener und grundsätzlich gemäß § 40 Abs. 4 SGB XI bezuschussungsfähiger Maßnahmen aus. Aber: Dieser Katalog enthält keine wirksamen Rechtsnormen, ist also nicht in Stein gehauen und bindet die Gerichte deshalb keinesfalls. Aber gibt Orientierung - nicht zuletzt bei der Suche nach einer bedarfsgerechten neuen Wohnung. Danach sind förderfähig:
- Maßnahmen in dem Haushalt, der einen Pflegebedürftigen dauerhaft aufnimmt
- Maßnahmen im häuslichen Bereich einschließlich Terrasse
- Sicherungstüren gegen Weglaufen oder Verunglücken an Innentreppen, zwischen Terrasse und Garten
u. v. m.
Achtung: Dass die Pflegekasse Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes bzw. ein anderer Leistungsträger bewilligt, schließt den gleichzeitigen Anspruch auf Hilfsmittel nach § 33 SGB V bzw. Pflegehilfsmittel nach § 40 Abs. 1 SGB XI wie Pflegebetten etc. nicht aus. Beispiel: Ihre Pflegekasse bezuschusst die Wohnumfeldverbesserung, eine bodengleiche Dusche, die Krankenversicherung zahlt nach § 33 SGB V den Duschsitz.
Umziehen = neuen Wohnraum herstellen
Werden wohnumfeldverbessernde Maßnahmen im Zusammenhang mit einer Herstellung neuen Wohnraums durchgeführt, muss die Zuschussbemessung die hier entstehenden Mehrkosten berücksichtigen - wie durch den Einbau breiterer Türen, den Einbau einer bodengleichen Dusche etc. Mehrkosten, die sich in der Praxis auf die Materialkosten erstrecken. Denn Mehrkosten bei Arbeitslohn und weiteren Dienstleistungen werden nur berücksichtigt, wenn sie eindeutig mit der wohnumfeldverbessernden Maßnahme verknüpft sind. Allein die Tatsache, dass Sie sich pflegender Angehöriger durch eine Maßnahme subjektiv entlastet fühlen, genügt nicht, damit ein Zuschuss gewährt wird - eine Maßnahme muss die Pflege objektiv erheblich und erkennbar erleichtern. Kosten, die bei Herstellung neuen Wohnraums berücksichtigungsfähig sind u. a.:
- Beratungskosten
- Vorbereitungshandlungen
- Materialkosten (auch, wenn Nichtfachkräfte Arbeiten erledigen)
- Arbeitslohn
- Gebühren (für Genehmigungen etc.)
Haben Angehörige, Nachbarn oder Bekannte Maßnahmen bzw. Umzug durchgeführt, müssen deren tatsächliche Aufwendungen von Fahrkosten bis Verdienstausfall Berücksichtigung finden.
Leistungsumfang: Hilfsmittel wie Pflegebetten nicht dabei
Allerdings umfasst die Leistungspflicht nach § 40 Abs. 4 SGB XI nach einem Urteil des Bundessozialgerichts (22.08.2001, Az. B 3 P 3/01 R) nicht die Anschaffung behinderungsgerechter Wohnungseinrichtungsgegenstände. Auch entschied das Bundessozialgericht am 12.08.2009 (Az. B 3 P 4/08 R): Deckenlifter sind nach § 40 Abs. 4 SGB XI nicht zu bezuschussen. Ein Deckenlifter ist keine Maßnahme der Wohnumfeldverbesserung, sondern ein Hilfsmittel - wie ein Pflegebett.
Wenn andere Leistungsträger vorrangig sind
Die Soziale Pflegeversicherung leistet Zuschüsse nachrangig, also nur, wenn kein anderer Leistungsträger vorrangig in der Pflicht ist. Wie Rehabilitationsträger wie die Gesetzliche Renten- und Unfallversicherung oder die Bundesagentur für Arbeit, die nach § 33 Abs. 3 Nr. 1 und 6 in Verbindung mit Abs. 8 Satz 1 Nr. 6 SGB IX Leistungen erbringen - wie die Kosten von Beschaffung, Erhaltung und Ausstattung behinderungsgerechter Wohnungen. Auch Leistungen der Wohnungshilfe durch die Gesetzliche Unfallversicherung (§ 39 Abs. 1 Nr. 2 und § 41 SGB VII), haben Vorrang, sofern diese angesichts der Folgen von Arbeitsunfällen nötig sind. Außerdem gewähren Integrationsämter im Rahmen begleitender Hilfe im Arbeitsleben Geldleistungen, um eine Wohnung zu beschaffen, zu erhalten und auszustatten, sofern diese den Bedürfnissen Schwerbehinderter gerecht wird. Sie sind berufstätig und zu 50 Prozent oder mehr schwerbehindert? Dann sind diese Leistungen bei Ihnen vorrangig vor Leistungen der Pflegekassen (vgl. § 2 SGB IX).
Umzug planen, Antrag stellen
Eine sehr komplexe Materie! Weshalb in jedem Einzelfall zu prüfen ist, ob sich auch andere und welche Träger sich an Ihren Umzugskosten beteiligen können. Die Pflegekasse ist zuständig? Dann stellen Sie dort den Antrag auf Bezuschussung Ihres Umzuges. Wichtig: Laut Bundessozialgericht (30.10.2001, B 3 P 3/01 R) hängt die Zuschussgewährung nach § 40 Abs. 4 SGB XI nicht davon ab, dass Sie Ihren Zuschuss schon vor Beginn der Maßnahme beantragen. Es reicht, wenn Sie den Antrag nachträglich stellen. Beachten Sie aber, dass die Beweislast beim Pflegebedürftigen liegt, falls sich die Anspruchsvoraussetzungen nach durchgeführter Maßnahme nicht mehr genau feststellen lassen. Auch ist der Antrag, wenngleich die Pflegekassen dazu praktische Formulare bereitstellen, an keine Form gebunden. Allerdings sollten Sie Ihren Umzugswunsch gut begründen sowie Kostenvoranschläge der geplanten Maßnahmen mit einreichen (§ 33 Abs. 1 Satz 1 SGB XI; § 19 Satz 1 SGB IV). Wer unterstützt, wer beurteilt? Neben den Pflegestützpunkten der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK), der im Rahmen des Verfahrens der Einstufung in einen Pflegegrad auch Empfehlungen zur Versorgung mit Hilfsmitteln wie Pflegebetten, aber auch Maßnahmen aussprechen kann.
Nichts geht mehr: Raus aus diesem Pflegeheim!
Die Wohnbedingungen im Pflegeheim bzw. Seniorenheim sind unzumutbar, weil der Pflegeheimbetreiber und Unternehmer seine Vertragspflichten erheblich verletzt? Dann kann es Ihnen bzw. Ihren Angehörigen nicht zugemutet werden, bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist dort zu bleiben und das Heim weiter zu bezahlen. Gründe für eine außerordentliche Kündigung können sein
- schwerwiegende Pflegefehler
- permanente Verletzungen der Privatsphäre
- freiheitsentziehende Eingriffe wie Bettgitter, Fixierungen
Jetzt muss der Pflegeheimbetreiber eine andere, zumutbare Einrichtung suchen und Ihnen ggf. die Umzugskosten in angemessener Höhe erstatten. Was ist zumutbar? Vergleichbare Bedingungen in Art, Umfang und Preis bei Unterkunft und Pflege. Eine Liste möglicher Heime reicht hier nicht, Sie können ein konkretes Vertragsangebot verlangen. Steht der Umzug an, bemisst sich die Höhe der Kosten nach Aufwand - mit Packen, Transportieren sowie Auspacken von Mobiliar, Kleidung und persönlicher Habe. Auch die Distanz zwischen alter und neuer Unterkunft spielt eine Rolle - bei zu großer Entfernung muss der Pflegeheimunternehmer die Umzugskosten nur anteilig tragen. Und: Neben dem Umzug selbst muss er auch dafür Sorge tragen, dass Sie bzw. Ihr Angehöriger in die neue Einrichtung kommen - und die Kosten für Ihren Transfer übernehmen. Aber auch ungeachtet einer Kündigung gibt es Möglichkeiten: Sie haben in der stationären Pflege einen schwerwiegenden Mangel festgestellt, der nicht kurzfristig behoben werden kann? Dann muss Ihnen die Pflegekasse - auf Ihren Antrag hin - eine andere geeignete Pflegeeinrichtung vermitteln.