Kalt erwischt - plötzlich ist er da, der Pflegefall! Pflege, ob erstmalig oder bei verschlechtertem Gesundheitszustand Familienangehöriger, will gut organisiert sein: Dank Pflegezeitgesetz (PflegeZG) können Sie sich dazu vom Job freistellen lassen. Hier eröffnen sich vier Optionen, von der kurzzeitigen Freistellung bei akutem Pflegefall über Pflegezeit und Familienpflegezeit bis zur Begleitung in der letzten Lebensphase. Finanzielle Ausfälle federn Pflegeunterstützungsgeld bzw. ein zinsloses Darlehen ab. Recht viel Bürokratie, viele Regelungen - was steht Ihnen wann zu?
Kurzzeitige Arbeitsverhinderung, um die Pflege zu organisieren
Ziel des PflegeZG: Beschäftigten ermöglichen, nahe Angehörige in ihrer häuslicher Umgebung zu pflegen und die Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und familiärer Pflege zu stärken. Pflegebedürftig ist, wer die Voraussetzungen von §§ 14 und 15 SGB XI erfüllt oder voraussichtlich erfüllen wird. Bei Eintreten einer akuten Pflegesituation können sich Beschäftigte bis zu zehn Tage pro Pflegebedürftigem komplett freistellen lassen, etwa um
- häusliche Pflege, Pflegedienst oder 24-Std. Pflegekraft zu organisieren,
- eine Pflegeheimfinanzierung in die Wege zu leiten,
- eine Pflegestufe zu beantragen,
- Hilfsmittel wie Pflegebetten oder Krankenbetten zu beschaffen.
Kurzzeitige Arbeitsverhinderung darf Ihr Arbeitgeber nicht verweigern, aber verlangen, dass Sie ihn unverzüglich - einschließlich Nachweis durch Attest bzw. Pflegestufe Ihres Angehörigen - über ihre Absicht informieren. Sie sind:
- Arbeitnehmer?
- Auszubildender?
- Minijobber oder geringfügig Beschäftigter?
- Rentner mit Beschäftigung?
- Heimarbeiter?
Dann haben Sie Anspruch auf kurzzeitige Arbeitsverhinderung, die allerdings finanziert sein will: Anspruch auf Fortzahlung von Lohn- oder Gehalt haben Sie nicht, allenfalls auf freiwilliger Basis. Wer zahlt? Beantragen Sie Pflegeunterstützungsgeld bei der Pflegekasse bzw. privaten Pflegeversicherung Ihres Angehörigen unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung. Dabei wird Pflegeunterstützungsgeld nach den Kinderkrankengeld-Vorschriften berechnet (§ 45 Abs. 2 Satz 3 - 5 SGB V bzw. § 44a Absatz 3 SGB XI).
Pflegezeit: Voll freigestellt
Vorausgesetzt, Ihr Betrieb beschäftigt mehr als 15 Mitarbeiter, dürfen Sie Pflegezeit nehmen und sich vollständig oder teilweise vom Job freistellen lassen - bis zu sechs Monaten und einmal pro Pflegefall. Ein anderer Familienangehöriger versprach, die Pflege danach für Sie zu übernehmen, aber ist aus wichtigem Grund verhindert? Auch Verlängerung ist möglich. Außerdem dürfen Sie sich beim Einsatz am Pflegebett durch Pflegedienste unterstützen lassen. Sie pflegen einen minderjährigen nahen Angehörigen? Dann erstreckt sich die Pflegezeit auch auf die Betreuung in außerhäuslicher Umgebung. Stets ist dem Arbeitgeber der Beginn der Pflegezeit (mit Zeitraum und Umfang) spätestens zehn Arbeitstage vor Beginn schriftlich anzukündigen! Sie nehmen die Freistellung nur teilweise in Anspruch? Dann müssen Sie angeben, welche Verteilung der Arbeitszeit Sie wünschen. All dies wird Teil einer schriftliche Vereinbarung. Um Pflegezeit finanziell abzufedern, wurde mit 1. Januar 2015 die Möglichkeit eines zinslosen Darlehens geschaffen. Dies ist beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) zu beantragen. Die monatliche Rate beträgt die Hälfte der Differenz zu Ihrem - pauschalierten - monatlichen Nettoentgelt vor bzw. während der Freistellung. Dabei müssen Sie das Darlehen nicht in voller Höhe ausreizen, abgesehen von einer (verwaltungspraktischen) Untergrenze von 50 Euro pro Monat.
Familienpflegezeit: Kürzer arbeiten
Bei Familienpflegezeit nach Familienpflegezeitgesetz (FPfZG) können Sie Ihre reguläre Arbeitszeit bis zu 24 Monate (einmal pro Pflegefall) auf eine Mindestarbeitszeit von 15 Stunden die Woche reduzieren - sofern Ihr Unternehmen über 25 Mitarbeiter beschäftigt (Auszubildende zählen nicht mit). Während Ihrer Familienpflegezeit gilt Sonderkündigungsschutz. Familienpflegezeit vorzeitig beenden? Nur nach Rücksprache mit dem Arbeitgeber. Und: Pflegezeit und Familienpflegezeit sind kombinierbar (bis zu 24 Monaten Gesamtdauer und sofern die Zeiten nahtlos anschließen). Ihre Zeit am Pflegebett endet? Lassen Sie sich jetzt nicht mit einer Teilzeitstelle abspeisen - Sie haben das Recht, ohne Einschränkung in Ihr vorheriges Arbeitsverhältnis zurückzukehren. Auch haben Sie das Recht, mit Ihrem Unternehmen über Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit eine schriftliche Vereinbarung zu treffen - nach Ihren Wünschen als Beschäftigter (es sei denn, dringende betriebliche Gründe stehen dem entgegen). Finanziell wir Familienpflegezeit wie Pflegezeit durch ein zinsloses Darlehen abfedert, das beim BAFzA zu beantragen und erst nach der Pflege zurückzuzahlen ist. Wichtig: Sie erhalten dieses auch, wenn Ihr Unternehmen klein ist - und Sie freistellt, obwohl es gesetzlich nicht dazu verpflichtet ist. Mit diesem Rechner ermitteln Sie die Darlehenshöhe der Familienpflegezeit (Link: http://www.wege-zur-pflege.de/familienpflegezeit/rechner.html). Unter (Link: http://www.wege-zur-pflege.de/familienpflegezeit/service.html) finden Sie außerdem zahlreiche Formulare und Merkblätter zum Thema.
Als pflegender Angehöriger die letzte Lebensphase begleiten
Letzte Monate des Abschieds - eine kostbare Lebensphase. Um nahe Angehörige hier begleiten zu können, haben Sie das Recht, sich - vollständig oder teilweise - für bis zu drei Monate dieser oft pflegeintensiven Zeit freistellen zu lassen. Nicht nur bei Pflege zu Hause, sondern auch bei Unterbringung in Pflegeheim, Krankenhaus oder Hospiz. Finanziell steht auch hier ein zinsloses Darlehen zur Absicherung bereit. Um dieses Recht auf Begleitung wahrzunehmen, müssen Sie nachweisen, dass bei Ihrem Angehörigen eine Heilung ausgeschlossen ist, seine Lebenserwartung also nur noch wenige Monate betragen wird - gegenüber dem Arbeitgeber in Form eines ärztlichen Zeugnisses.
Wer ist pflegender Angehöriger? Sie sind als
- Bruder oder Schwester
- Ehe- und Lebenspartner
- Partner in eheähnlichen Gemeinschaften
- Eltern
- Enkel
- Großeltern
- (Adoptiv- und Pflege-)Kinder, auch des Ehe- bzw. Lebenspartners
- Schwager bzw. Schwägerin
- Schwiegereltern
- Schwiegertochter bzw. Schwiegersohn
- Stiefeltern
Recht auf Kündigungsschutz und Urlaub?
Was geschieht mit Ihrem Urlaubsanspruch? Ihr Arbeitgeber kann Ihren Erholungsurlaub, der Ihnen für das Urlaubsjahr zusteht, pro vollem Kalendermonat, den Sie komplett vom Job freigestellt sind, um ein Zwölftel kürzen. Kündigen darf er Ihnen dagegen nur in Ausnahmefällen: Dazu muss die für Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder eine durch diese benannte Stelle die Kündigung für zulässig erklären. Generell darf von den Vorschriften des § 8 PflegeZG (Link: https://www.gesetze-im-internet.de/pflegezg/BJNR089600008.html) nicht zum Nachteil von Beschäftigten abgewichen werden. Sonderregelungen gelten für befristet Beschäftige, die jemanden während seiner Pflegezeit vertreten: Ihr befristeter Arbeitsvertrag kann mit zweiwöchiger Frist gekündigt werden. Denn die Rückkehr des Freigestellten an seinen Platz genügt als sachlicher Kündigungsgrund. Sie sind noch in Ausbildung und müssen sich für die Pflege freistellen lassen? Die Pflegezeit wird nicht auf Ihre Berufsbildungszeiten angerechnet. Weitere Fragen zur Pflegezeit beantwortet das Pflegetelefon des Bundesfamilienministeriums von 9 bis 18 h unter 030/20179131 oder per E-Mail unter info@wege-zur-pflege.de.