Einsatz am Pflegebett: Als Hartz IV Bezieher Angehörige pflegen?

Sich als Arbeitsloser und Bezieher von ALG II um pflegebedürftige Angehörige kümmern? Unbezahlbar. Aber erhalte ich für meinen Einsatz am Pflegebett auch Pflegegeld oder wird es mir von den Hartz IV Leistungen abgezogen? Welche Ansprüche und Rechte, aber auch Pflichten erwarten Bezieher von ALG II, die sich entscheiden, einen Angehörigen im Pflegebett zu versorgen?

Viele tun es: Datenlage

Eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) nahm Haushalte mit und ohne Hartz-IV-Bezug in den Blick: Derzeit pflegen über 280.000 Bezieher von ALG II Angehörige - macht sieben Prozent der Erwerbsfähigen, verglichen mit fünf Prozent bei Personen, die nicht im Hartz-IV-Bezug stehen. Bei einem Drittel der ALG II Bezieher nimmt die Pflege 20 Stunden und mehr die Woche in Anspruch, ganze 22 Prozent verbringen zehn bis 19 Stunden am Pflegebett, 40 Prozent neun Stunden oder weniger mit der Pflege. Über 90 Prozent erledigen Besorgungen außer Haus, 76 Prozent versorgen ihre Angehörigen mit Mahlzeiten und führen den Haushalt. 59 Prozent leisten außerdem einfachere Pflegetätigkeiten (Hilfe beim Anziehen etc.), 22 Prozent auch anspruchsvollere Pflege wie Umbetten oder Baden.

Trotz Pflege bewerben, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen?

Grundsätzlich haben pflegende Angehörige Anspruch auf ALG II. In der Praxis müssen sich Pflegewillige allerdings die Frage nach dem Grad des Verwandtschaftsverhältnisses gefallen lassen, wenngleich laut Gesetzgeber auch Freunde und Bekannte in den Kreis der Pflegepersonen fallen. Erster Stolperstein: ALG II wird nur erwerbsfähigen Hilfebedürftigen gezahlt. Insofern ist auch ein pflegender Hartz IV Bezieher verpflichtet, sich laut § 2 Abs. 1 SGB II um eine Beschäftigung zu bemühen. Zwei Bewerbungen pro Woche!, so das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom Dezember 2014. Nach § 8 SGB II gilt als erwerbsfähig, wer dem Arbeitsmarkt drei Stunden täglich oder mehr zur Verfügung steht. Also auch ab Pflegestufe 3 einer bedarfsdeckenden Vollzeitbeschäftigung nachgehen? Kaum praktikabel, wie auch § 10 Abs. 1 Satz 4 SGB II weiß: Erwerbstätigkeit muss mit der Angehörigenpflege vereinbar sein. Falls nicht, besteht keine Arbeits- bzw. Bewerbungspflicht. Gleiches gilt, wenn Sie der Einzige sind, der die Pflege übernehmen kann.

Pflegegeld: Auf Hartz IV angerechnet?

Wer von Hartz IV lebt und sich für den Einsatz von Pflegebetten entscheidet, erhält als Alleinstehender neben seinem Regelsatz zusätzlich das Pflegegeld, dessen Höhe sich nach der Pflegestufe bemisst. Pflegegeld als Barleistung der Pflegeversicherung wird nicht auf Hartz IV angerechnet (vgl. auch §13 Abs. 5 SGB XI). Denn Pflegegeld ist kein Einkommen! Und deshalb außerdem nicht steuerpflichtig. Wie funktioniert das? Pflegebedürftige können statt Sachleistungen (Pflege durch Pflegedienst etc.) Pflegegeld beantragen, sofern die häusliche Pflege (Grundpflege, hauswirtschaftliche Versorgung) in Eigenregie sichergestellt wird - wie durch pflegende Angehörige. Anrechnungsfrei ist auch die Pauschalbeihilfe im Rahmen der Beihilfevorschriften, aber nicht Geldleistungen laut § 37 Abs. 4 SGB V. Aber: Keine Regel ohne Ausnahme! Wer für die Betreuung fremder Kinder (Pflegekinder) Pflegegeld bekommt, dem wird dieser Betrag auf Hartz IV angerechnet. Pflegemütter, die mit Hartz IV aufstocken, werden wie Honorarkräfte behandelt. Wird ein Pflegekind krank, gilt dessen Pflegegeld als Honorar. Werden hierdurch Anrechnungsobergrenzen überschritten, kann der Anspruch auf ALG II komplett wegfallen.

Liebesdienst am Pflegebett: Vom Regen in die Traufe?

Leider lässt sich der Staat pflegende Familienangehörige weit weniger kosten als professionelle Pflege, was aber laut Bundesverfassungsgericht mit dem Grundgesetz vereinbar ist (Az.1 BvR 1133/12). Gewusst? Pflegegeld für Angehörige ist nur eine Anerkennung, aber keine Bezahlung für erbrachte Pflegeleistungen. Freiwilligkeit, die man sich leisten können muss, auch zeitlich: So genehmigt das Jobcenter 21 freie Tage pro Jahr. "Normalen" pflegenden Angehörigen stehen laut Pflegevertrag 28 Tage Kurzzeitpflege plus 28 Tage Verhinderungspflege zu. Zeit, um die Pflege zu organisieren, kommt hier noch oben drauf. Eine unausgegorene Gesetzeslage, in der nichts zusammenpassen will - zum Leidwesen der Betroffenen und Angehörigen am Pflegebett. Hier zeigt sich Pflege nicht nur unbezahlt, sondern die üblichen Hartz IV Zwänge bleiben, trotz Pflege. Noch schlechter gestellt ist, wer sich gar nicht erst arbeitslos meldet. Von Pflegegeld allein lässt sich kein Lebensunterhalt bestreiten; es muss also aus eigenen Einkünften oder von Ehemann bzw. Ehefrau zugebuttert werden. Ausnahme: Wie das Sozialgericht Ulm entschied, hat, wer neben der Pflege seines Ehepartners Kinder versorgen muss, Anspruch auf höhere Leistungen. Seltsam, aber er gilt nun als Alleinstehender.

Hartz IV Zwänge: Kein Auto, keine freie Wahl der Wohnung

Und nach der Pflege? Sind die Pflegenden oft zu alt für den Arbeitsmarkt - oder werden selbst krank. Weil sie überdies keine Ersparnisse aufbauen konnten, sind Hartz-IV-Bezieher auch noch schlechter als Berufstätige gestellt, die wegen der Pflege aus dem Job aussteigen. Letztere erhalten Beiträge zur Arbeitslosen- sowie Rentenversicherung - auf Dauer. Schon während der Zeit am Pflegebett sinkt der Lebensstandard: Frei entscheiden, wo ich wohnen und leben will? Keine Chance ohne Zustimmung des Jobcenters. Ein neues Auto anschaffen, das im Rahmen der Pflegebemühungen dringend benötigte Erleichterung bringt? Hilfe bei der Anschaffung oder auch für Reparaturen eines Bestandsfahrzeugs gibt es für Hartz IV Bezieher nicht. Gar nicht zu reden von der fehlenden Bereitschaft mancher Jobcenter, Betroffene über Rechte wie Kurzzeit- und Verhinderungspflege für eine wichtige Auszeit zu informieren.

Fazit: Job gegen Pflege tauschen - ein Armutsrisiko

Sie beziehen ALG II, aber die Pflege von Mutter oder Vater geht über Ihre Kräfte? Verständlich und menschlich, aber aus der Perspektive gesunden Menschenverstands als Szenario kaum weniger nachvollziehbar: Geben Sie Ihren Angehörigen in ein Pflegeheim, gibt der Staat für diese Pflege vierstellige Summen aus - jeden Monat. Zu erwarten ist, dass sich die Situation unserer alternden Gesellschaft, die von Betroffenen jedoch immense Erwerbsbeteiligung fordert, weiter verschärfen wird. Günstiger für die Gemeinschaft und oft würdevoller dagegen lässt sich Pflege für alle Beteiligten gestalten, würden Angehörige, die sich für den Einsatz am Pflegebett entscheiden, angemessen entlohnt. Pflegegeld, an die Pflegesachleistungen (SGB XI) angeglichen, versetzt Pflegebedürftige dagegen in die Lage, denen, die sie versorgen, ein gewisses Grundeinkommen zu sichern. Von einem Pflege- oder Betreuungsgeld, das an Stelle von Hartz IV Leistungen tritt, ließen sich wiederum auch Sozialabgaben tätigen. Der Gesetzgeber ist gefragt, die wichtige Arbeit am Pflegebett als Ausnahmesituation speziell zu schützen.

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