Pflegende Angehörige im Alltag: Unzählige Pflichten - aber auch stärkende Rechte

Pflegebedürftigkeit ändert alles, oft von jetzt auf gleich: Bei Krankheit und Handicap sind die Möglichkeiten, den Alltag selbstständig zu gestalten, eingeschränkt. So sind Pflegebedürftige in allen, nicht nur häuslichen, Alltagsbereichen auf Hilfen angewiesen - eine Herausforderung für pflegende Angehörige, die nun zu Alltagsbegleitern werden. Neben der konkreten Pflegeorganisation mit Beantragung von Pflegestufe und Leistungen haben auch pflegende Angehörige Rechte - auf finanzielle Hilfen und eigene Bedürfnisse.

Mehrfachbelastung: Job, Haushalt, Pflege

Sie müssen sofort Ihr Recht auf Pflegezeit wahrnehmen? Im Akutfall stellt Sie Ihr Arbeitnehmer bis zu zehn Tage frei. Zusätzlich stehen Ihnen - sofern Ihr Betrieb ab 15 Mitarbeiter beschäftigt - sechs Monate Pflegezeit zu. Unbezahlt, aber Sie bleiben sozialversichert. Prinzipiell dürfen Sie mit 15 Stunden die Woche auch zwei Jahre in Teilzeit geben, sofern Ihr Arbeitgeber zustimmt. Jetzt stemmen Sie eine Doppelbelastung - aus Berufstätigkeit und Pflege, weshalb Sie sich - sechs Monate häusliche Pflegeleistung vorausgesetzt - an 28 Tagen im Jahr erholen dürfen. Während des Zeitraums dieser Verhinderungspflege übernimmt eine Pflegekraft die Betreuung. So muss der Pflegebedürftige nicht in eine stationäre Einrichtung wechseln. Sinnvoll, denn Ortswechsel und Änderungen des Tagesablaufs können, nicht nur bei Demenz, den Gesundheitszustand verschlechtern. Sie unterbrechen Ihre Pflegetätigkeit nur kurz, etwa für einen Arztbesuch? Auch dann greift das Konzept der Verhinderungspflege. Alternativ kann Kurzzeitpflege Ihren Angehörigen bis zu 28 Tage jährlich - tage- bzw. stundenweise - in einer Senioreneinrichtung versorgen. Gewusst? Viele Aufwendungen, darunter haushaltsnahe Dienstleistungen, sind steuerlich absetzbar. Denken Sie auch daran, während Ihrer Ausfallzeiten freiwillig in die Arbeitslosenversicherung einzuzahlen, um Ansprüche zu sichern. Weitere Tipps zu Ihren Rechten als pflegender Angehöriger finden Sie hier. (Link: http://www.merkur.de/leben/gesundheit/pflege-tipps-ihre-rechte-pflegende-angehoerige-2624625.html, Link: http://www.zdf.de/wiso/hilfe-organisieren-fuer-pflege-der-eltern-mit-vollmacht-40855328.html, Link: https://www.zqp.de/upload/content.000/id00326/attachment00.pdf).

Jetzt beantragen: Schwerbehindertenausweis und Pflegestufe

Am Beginn der Alltagsbegleitung steht oft der Antrag auf Schwerbehindertenausweis beim Versorgungsamt - z. B., um Vergünstigungen auf öffentliche Verkehrsmittel zu erhalten. Auch hier benötigt der Pflegebedürftige Ihre Unterstützung: Nicht selten sind über fünf Antragsseiten (Formulare online) auszufüllen sowie die Aspekte von Beeinträchtigung, die zum Ausweis berechtigen, einzeln einzutragen (wie Seh-. Hör- und Gehbehinderungen). Zeitersparnis: Weitere Unterlagen, zum Beispiel von Fachärzten, kann die Kommune nach Antragstellung beiziehen. Es soll außerdem eine Pflegestufe beantragt werden? Als Angehöriger haben Sie ein Recht auf Pflegeberatung - durch Pflegekasse, kommunale Beratungsstellen oder den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK). Letzterer erstellt im Anschluss an einen Begutachtungstermin vor Ort ein Pflegegutachten, Grundlage für die Einstufung in einen Pflegegrad (Pflegestufe). Dabei haben auch körperlich fitte, aber altersverwirrte Senioren Anspruch auf Leistungen - sowohl auf Pflegesachleistungen durch den Pflegedienst als auch auf Pflegegeld. Demenzerkrankungen bilden seit kurzem einen Sonderbereich - mit speziellen Gruppenangeboten oder stundenweiser häuslicher Betreuung. Über entsprechende Angebote informieren Pflegestützpunkte und Pflegekasse. Ihr Angehöriger ist Pflegestufe 1? Als "erheblich Pflegebedürftiger" erhält er einmal täglich Hilfe bei Körperpflege, Ernährung und Mobilität. Ist er dagegen "schwer pflegebedürftig" nach Pflegestufe 2, hat er mindestens dreimal pro Tag (zu unterschiedlichen Zeiten) Anspruch auf diese Hilfen. Pflegestufe 3 schließlich betrifft "schwerst Pflegebedürftige" - und bedeutet Hilfe rund um die Uhr. (Link: http://www.pflegebetten-24.de/pflegebetten-pflege-ratgeber/pflegestufen-und-pflegegrade-diese-leistungen-stehen-ihnen-zu).

Und sonst noch? Pflegedienst und Hilfsmittel organisieren

Ihr Angehöriger wird aus der Klinik entlassen? Stellen Sie die Weichen, indem Sie die Pflege organisieren: Gehen Sie auf Klinik-Sozialdienst und Pflegeüberleitung zu - sie helfen bei Anträgen für Reha oder Pflegestufe, vermitteln Pflegedienste und organisieren Hilfsmittel. Auch örtliche Wohlfahrtsverbände und Pflegestützpunkte können Ihnen Pflegedienst-Anbieter in der Nähe nennen - oder Sie nutzen die Pflegedienst-Suche der Weißen Liste (Link: https://www.weisse-liste.de/de/pflege/pflegedienstsuche/). Informieren Sie auch den Hausarzt über den Entlassungstermin, damit er im Vorfeld schon nötige Hilfsmittel verordnen kann und besprechen Sie den Pflegebedarf: Denn die Arztbefunde sind für den MDK sehr wichtig.

Zu weiteren sinnvollen Hilfsmitteln zählen u. a.:

- Treppenlift (Wohnberatungsstellen informieren über Finanzierung sowie Rechte und Pflichten als Mieter)
- Pflegebett auf Rezept mit Vermerk "behindertengerecht", wie z. B. Pflegebett Westfalia (Sanitätshäuser, spezielle Homecare-Apotheken und Pflegedienste unterstützen bei der Wahl)
- Inkontinenzmittel, nach Hause geliefert (die Kasse schließt einen Lieferantenvertrag)
- Rollator (Rezept im Sanitätshaus einlösen)
- Pflegehilfsmittel für den täglichen Verbrauch (Betteinlagen, Desinfektionsmittel, Einmalhandschuhe) bei anerkannter Pflegebedürftigkeit

Wenn ein Leben endet: In Würde sterben

Umgeben von vertrauten Menschen zu Hause sterben - ein Wunsch vieler, der sich nur für wenige erfüllt. Denn noch immer gehen über 40 Prozent im Krankenhaus, bis zu ein Viertel im Pflegeheim aus dem Leben - entweder weil berufstätige Angehörige weder häusliche Pflege leisten noch professionelle Ganztagspflege bezahlen können oder der Senior ohne Familie ist. Krankenhäuser und Pflegeheime sind zu Palliative Care verpflichtet, um Bedingungen würdevollen Sterbens im Pflegebett zu schaffen. Angehörige und Freunde sind nun Sterbebegleiter (Link: http://www.pflegewiki.de/wiki/Sterbebegleitung). Dabei ist würdevoll, was der Patient als würdevoll empfindet. Eine verbleibende Lebensphase bewusst zu gestalten, schließt die sorgende Begleitung der Betroffenen und ihrer Nächsten ein. Der Hospizbewegung der 60er Jahre ist es zu verdanken, dass sich unser Blick auf das Sterben verändert hat: Ganzheitlich angelegt, bezieht Palliativversorgung das gesamte Umfeld des Sterbenden ein.

Mehr als Sterbebegleitung: Palliative Care

Palliative Care umfasst neben emotional-seelsorgerischer und psychosozialer Begleitung auch Pflege, ärztliche Betreuung, Ernährung und, sehr häufig, Schmerztherapie. Zusätzlich lässt sich Schmerzfreiheit durch spezielle Lagerungstechniken im Pflegebett (wie Pflegebett Westfalia) realisieren. Sterbebegleitung fragt auch: Wie werden Medikamente vertragen? Wie lassen sich Atemnot, Übelkeit und Erbrechen mindern? Dabei schafft Palliative Care nicht nur eine Umgebung, die auf individuelle Bedürfnisse eingeht, sondern vermeidet auch unerwünschte Krankenhauseinweisungen. Palliative Care leistet dies, weil sie auf drei Säulen ruht: Erstens einer angemessenen Haltung, zweitens langjähriger Erfahrung und drittens fundierte Fachkenntnis. Ziel: Die Lebensqualität bis zum Tod verbessern - und für die Zurückbleibenden auch darüber hinaus. So reagieren Angehörige am Sterbebett des geliebten Menschen vielfältig - von hilflos und angsterfüllt bis wütend. Palliative Care bezieht Angehörige in den Sterbeprozess ein - und lässt sie etwa die Füße der Mutter massieren, ihre Hand halten oder diese bei Atemnot aufrechthalten. Angehörige beten, singen oder musizieren für den Sterbenden, aber erhalten auch Gelegenheit, ihrer eigenen Befindlichkeit im Gespräch mit Pflege, Ärzten, Seelsorge und Therapeuten Raum zu geben. Eine ausführliche Publikation der Palliativstiftung finden Sie hier. (Link: http://www.palliativstiftung.de/fileadmin/downloads/publikationen/Druckwerke_zum_Download/2016-01-22_Die_Pflegetipps_15._Auflage.pdf).

Burnout: Sie müssen da nicht durch!

Menschen, die Schwerstkranke pflegen, stoßen an körperliche und seelische Grenzen. Überlastung, die erschöpft, deprimiert oder zu gesteigertem Alkoholkonsum führt. Dabei empfinden die hilflosen Helfer nicht selten Schuld angesichts ihres vermeintlich fehlenden Durchhaltevermögens. Fatal, denn Pflege ist nicht selbstverständlich: Nur, wer selbst genug bekommt, kann geben. Pflegende Angehörige müssen lernen, auch für sich selbst zu sorgen. Dazu gehört auch, im Familienrat Tacheles zu reden: Was erwarte ich von den anderen? Wo sind die Grenzen dessen, was ich leisten kann oder will? Dabei hat das Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz (PNG) das Thema Entlastung etwas gestärkt; auch sind Pflegekassen laut Sozialgesetzbuch verpflichtet, Angehörigen kostenlose Pflegekurse anzubieten. Diese sollen sowohl die Pflege des Angehörigen verbessern, als auch die Belastung der Pflegeperson verringern helfen. Auch können Pflegebedürftige, die erheblichem allgemeinem Betreuungsbedarf (Demenz etc.) haben, so genannte niedrigschwellige Betreuungsleistungen nutzen. Hier übernehmen freiwillige Helfer unter Pflegefachanleitung die Betreuung - in Gruppen oder im häuslichen Umfeld.

Sie müssen nicht alles allein stemmen! Örtliche Wohlfahrtsverbände vermitteln Hilfe für die stundenweise Betreuung Kranker; mobile Menüdienste liefern Gerichte ins Haus. An dieser Stelle ein spezieller Buchtipp zur Alltagsbegleitung (Link: https://www.hogrefe.de/shop/praxishandbuch-alltagsbegleitung-71583.html Inhalt). Alltagsbegleitung entlastet und berät. Denn nicht nur die Bedürfnisse Ihres Angehörigen (je nach Erkrankung oder Gebrechlichkeit) müssen Pflegende richtig einschätzen können. Sondern auch Ihre eigene Leistungsfähigkeit - mit Respekt für Ihre ganz eigenen Grenzen.

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